2014_LP Magazin für analoges HiFi und Vinyl-Kultur
LP Magazin für analoges HiFi und Vinyl-Kultur Phono-Vorstufe
Phonoverstärker: Symphonic Line Reference HD - DAS DOPPELTE LOTTCHEN
Na klar, ,,analog" hat er schon immer als das Maß der Dinge angesehen. Und seine CD-Spieler sind der Ausdruck seines Bemühens, dem Analogen möglichst nahe zu kommen. Andererseits könnte man ja auch gleich mal wieder neues Analoges machen. Hat er gemacht. Und wie:
Bei „ihm" handelt es sich zweifellos um eine der schillerndsten Gestalten aus dem deutschen HiFi-Manufakturwesen: Rolf Gemein, Eigentümer und Lenker des in Duisburg ansässigen Unternehmens Symphonic Line. Berühmt für seine fast immer exzellent klingenden Vorführungen auf HiFi-Veranstaltungen jeglicher Couleur, berüchtigt für seine Vorliebe für deutliche Worte. So richtig Duisburg eben.
Der klangliche Charakter seiner Schöpfungen allerdings hat mit hemdsärmeligem Hau-drauf-Charme nichts zu tun. Rolf Gemein ist akribisch auf der Suche nach musikalischer Wahrheit, nach dem letzten Quäntchen Information, der hintersten Nuance, der Summe aller Dinge, die Musik erst zu einem Gesamterlebnis macht. Bei der Wahl seiner Mittel ist Gemein nicht zimperlich: Meist werden strukturell einfache und damit fürs Signal „minimalinvasive" Schaltungskonzepte mit verschiedensten Maßnahmen an der Peripherie bis ans absolute Limit ihres Leistungsvermögens gedrängt - die Ergebnisse sprechen für sich.
Jetzt gibt's nach längerer Zeit eine neue große Phonovorstufe von Rolf Gemein. Natürlich nicht die erste - der Mann baut seit 1980 kommerziell Verstärker. Allerdings handelt es sich hier um eine komplette Neukonstruktion und solcherlei Tun dauert bei Symphonic Line ein Weilchen.
Zuerst zur Nomenklatur. Es gibt das Gerät in zwei Ausführungen. Die schlichtere Variante heißt sinnigerweise „Phono-Vorstufe" und ist für 6.200 Euro zu haben, das Flaggschiff hört auf den Namen „Phono Reference HD" und kostet einen Aufpreis von erstaunlich moderaten 600 Euro - bei der Typenbezeichnung wäre weit Schlimmeres zu befürchten gewesen. Die Unterschiede zwischen beiden Geräten beschränken sich denn auch auf einen einzigen Umstand: Im Basismodell steckt ein Paar Verstärker, im Topmodell derer zwei. Sonst sind beide Maschinen identisch.
Der Reference HD bietet sich natürlich nur für Leute an, die gewillt sind, zwei Tonabnehmer zu betreiben. Die allerdings be-kommen keine halbgare Lösung mit zwei umschaltbaren Eingängen, sondern die volle Dosis Gemein'scher Kompromiss-losigkeit: Wenn du zwei Phonoeingänge brauchst, dann nimmst du einfach zwei komplette Phonovorstufen und schaltest per Kippschalter die Ausgangssignale jeweils einer auf das Ausgangsbuchsenpaar. So einfach geht das. Und bei dem Netzteil, das Rolf Gemein hier verbaut hat, ist es definitiv egal, ob einer oder zwei Verstärker ihren Bedarf daran stillen.
Das Gerät steckt im schwergewichtigen Blechkleid nach Symphonic-Line-Standard. Und ich verkneife mir jetzt mal jegliches Bemühen von Analogien aus derschwerindustriellen Duisburger Vergangenheit - Stabilität gehört bei Symphonic Line halt zum Funktionsprinzip dazu. Hinter der zentimeterdicken Front gibt's verhältnismäßig wenig verstärkende Elektronik, dafür aber ein Netzteil, das andernorts ausgewachsene Endstufen speisen dürfte.
Der sonderangefertigte, auf maximale Stromlieferfähigkeit getrimmte 300-VA-Ringkerntrafo steckt in einem bestens abschirmenden Becher aus MU-Metall, was insbesondere hier eine gute Idee ist, die Verstärkerplatinen sind nicht weit weg. Der Trafo speist eine Netzteilplatine, unter der vier satte 68.000-µF-Elkos residieren. Sie bilden zusammen mit zwei Leistungs-widerständen ein „CRC"-Filter, das neben der reinen Siebwirkung schon mal dafür sorgt, dass kaum noch Störungen bei der nachfolgenden Reglerplatine ankommen. Dort wird abermals gefiltert und gesiebt und anschließend die beiden Betriebsspan-nungen elektronisch stabilisiert. Zwei von Rolf Gemein gerne verwendete Motoranlaufkondensatoren sieben abermals - erst dann dürfen sich die Spannungen an die beiden Verstärkerzüge wagen. Jeder davon besteht aus zwei Steckmodulen, die auf ei-ner Trägerplatine residieren. Die Eingangs-buchsen - natürlich WBTs - sitzen direkt auf dem Modul, ausgangsseitig führt eine hauseigene Strippe zum Umschalter. Diesem Kabel misst Gemein große Bedeutung bei, zum Lieferumfang gehört eine Chinchleitung zur Verbindung mit der Vorstufe aus dem gleichen Material.
Die Verstärker selbst sind zweistufig aufgebaut: vorne eine diskrete Eingangsstufe, danach die passive Entzerrung, darauf die zweite Verstärkerstufe. Hier setzt der Hersteller eine Platine ein, auf der das Pendant zu einem ausgezeichneten Operations-verstärker mit SMD-Halbleitern diskret aufgebaut ist. Die Verfügbarkeit dieses für diese Zwecke idealen Verstärkers war ein Hauptgrund für die Entwicklung des ganzen Gerätes.
Einstellmöglichkeiten? Gibt es, wenn auch nicht viele. Drei DIP-Schalter erlauben die Wahl von drei Eingangsimpedanzen und zwei Kapazitäten. Die Werte sind natürlich bei Bestellung des Gerätes frei wählbar. Ein weiterer Schalter schaltet zwischen MM-und MC-Betrieb um. Es gibt komfortablere Lösungen für solcherlei Dinge, aber das ficht Rolf Gemein nicht an: Dem Komfort auch nur einen Zentimeter zusätzlichen Signalweg zuzugestehen, käme für ihn nie infrage. Also: Wer spielen will, der soll ver-dammt noch mal den Deckel abschrauben und die Module ziehen.
Und dann gibt's da noch die eine oder andere Besonderheit, mit der der Entwickler dem Gerät zusätzliche Qualität anerziehen will: Dazu gehören die beiden großen gelben Aufkleber genauso wie der gezielte Einsatz von C37-Lack an neuralgischen Stellen.
Geräteentwicklung bei Symphonic Line ist grundsätzlich eine langwierige Angelegenheit: Mitunter dauert es ewig, bis alle die kleinen Schrauben gefunden sind, über die der Entwickler den Sound so verändern kann, wie er ihn haben will. Wir hingegen brauchen nur vier (Schräubchen) - nämlich um den Deckel wieder zu befestigen und das Gerät seiner Bestimmung zu übergeben, sprich: in die Anlage einzubauen.
Das, was jetzt kommt, habe ich, glaube ich, noch nie getan: einen Hörtest mit „Smoke on the Water" begonnen. Auf dem Teller liegt die gar nicht mal schlechte ,,Hörzu" -Pressung von Deep Purples „Machine Head" und ich bin ziemlich platt, was das Etna an Rolf Gemeins Phonovorstufe aus den Rillen holt: markantes, aber nicht übertriebenes Becken-Timbre, ganz viel Gefühl fürs Timing von Ian Paice, Dynamik, Druck und erstaunliche Stabilität.
Das ist auf dieser nicht eben in Bestform erhaltenen Flohmarktscheibe drauf? Den ohnehin dramatischen Beginn von „Lazy" machen Etna und Phono Reference HD zum Feuerwerk aus Rhythmus und Dynamik- große Klasse. Vom gleichen Stapel ziehe ich ein uraltes Status-Quo-Album namens ,,Hello". Sicherlich unverdächtig, auch nur im Entferntesten sowas wie Klangqualität zu besitzen. Denkste. Das Ding da vorne hämmert mir ,,Roll Over Lay Down" um die Ohren, dass es nur so spritzt: knochen-trocken, hochdynamisch, unfassbar. Der für die Lautsprecheransteuerung zuständige ASR-Emitter hat Leistung, und in diesem Fall war ich mal wirklich froh darum. Ja, ja, wir spielen auch mal etwas seriösere Musik. Okay, ,,Caroline" noch. Um der alten Zeiten willen. Wie, da gibt's eine Raumabbildung. So richtig mit Ablösung von den Boxen? Was ich nicht alles nicht wusste! Jetzt aber: Über den ausgezeichneten Sampler von Aalt van den Hul namens „A Tribute to Analog" stolpere ich gerade zur rechten Zeit: Wieder fällt die hervorragende Darstellung perkussiver Elemente auf, und das trotz eines eigentlich zu niedrigen Abschlusses des Etna mit 100 Ohm. Das Klangbild ist ansonsten ein total anderes als das, was wir gerade noch erlebt haben: überaus fein, zurückhaltend und überhaupt nicht mehr hitzig und rabiat. Auch jetzt, wenn das Saxofon einsetzt, dann ist sie wieder da, die Attacke, die Spannung. Und egal, was ich auch auflege, Rolf Gemeins Vorstufe kann's einfach.
Holger Barske